08.06.2019 Claudia Breitsprecher "Ausrufe und andere Zeichen"
Viel Vergnügen
Eine Gondel steht senkrecht hoch über den Baumkronen, die andere ist gerade am Boden und wird frisch befüllt, sechs coole, aber kreideweiße Teenager torkeln heraus, fünf neue werden festgesteckt, ein Mädchen springt ab im letzten Moment, sichbar verzweifelt, wohl weil der Mut sie verlassen hat. Dabei brauchte es doch schon immer viel mehr Courage, sich dem Gruppendruck zu widersetzen, als eine Wahnsinnstat zu begehen. Denn für die anderen gibt es schon kein Entrinnen mehr. Langsam, schneller, rasend herum und herum und wieder herum wie eine Waschmaschine im Schleudergang, nur nicht Shirts und Shorts an Bord, sondern Halbwüchsige, und eine Trommel dreht sich nicht auch noch um die eigene Achse und schaukelt dabei hin und her wie dieses Höllengerät.
Da heißt es immer, die Jugendlichen litten heutzutage unter Bewegungsmangel. Nun, diese hier nicht. Es kann auch keine Rede von Entschleunigung sein, noch lange hin, bis die Kids Rosinen kneten und im Storchengang durch Schlamm waten werden. Wildes Geschrei saust an mir vorbei, zum Glück, sie leben noch, und auch meine Fantasie ist quicklebendig. So weiche ich zurück für den Fall, dass jemandem da oben der noch eben genossene Imbiss aus dem Gesicht fällt; ein Schauer durchgekauter Pommes rot-weiß aus tintenblauem Himmel. Und was geschieht eigentlich, wenn ein plötzlicher Defekt die Maschine nicht mehr stoppen lässt?
Aber nein. Aber nein. Das Tempo verlangsamt sich. Allmählich. Die Bremsen scheinen zu greifen. Das Karussell bleibt stehen, und hinter der Absperrung hat sich schon eine Schlange gebildet für die nächste Fahrt. Es gibt sie, die Außerirdischen, sie leben mitten unter uns. Die da und ich - das kann doch nicht dieselbe Spezies sein.
zurück zum alphabettínenblog
Copyright Claudia Breitsprecher 2019.