09.02.2019 Claudia Schattach "Ansichten einer Kurzsichtigen"
UNBERECHENBAR
Er findet immer wieder nach Hause, der alte Mann, und ich frage mich, ob dort jemand auf ihn wartet, ob die Frau bei ihm geblieben ist. Denn er hat sich in meine Gedanken geschrien und geküsst und ich achte darauf, seinen Weg nicht zu kreuzen. Doch er erwischt mich in einem lichten Moment, spricht mich an wie ein Philosoph und ich bin mir nicht sicher, ob es sein lichter Moment ist oder der meine. Erst als ich ihn Tage später dabei beobachte, wie er einen Baum küsst, erkenne ich, dass er mir weit voraus ist, weil er den Verstand längst hinter sich gelassen hat. Denn er schrumpft durch Liebe und Schmerz hindurch in die Unendlichkeit zurück und ich misstraue meiner Hoffnung, es ihm eines Tages gleichtun zu können, anstatt einfach nur sterben zu müssen.
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