erkennung

24.03.2018    Maja Linthe    "Bloggen mit Hut"


LETIT

LETIT
Ich betrete den Text und schaue mich um. Direkt vor mir lungern halbstarke Großbuchstaben, lässig aneinander gelehnt. Sie drehen mir den Rücken zu und scheinen mich nicht zu bemerken. Vielleicht rauchen sie oder sie erwarten einen Elfmeter und beraten, wie sie sich aufstellen sollen. "LETIT", in dieser Reihenfolge stehen sie noch nebeneinander, versperren mir die Sicht. Ich schleiche heran und spähe heimlich durch die Balken des E.

Ich kann keinen Fußball entdecken, aber in der Ferne sehe ich Linklöcher und Zwischenüberschriften wie Hütchen und Hürden beim Sportunterricht. Als das E etwas schreit, schrecke ich auf. Ich renne los und stolpere gleich im ersten Satz über ein Komma, das hier gar nicht hätte herumliegen dürfen. Ich hebe es auf und schleudere es mit Schwung über den Textrand hinaus. Als ich merke, was für Spaß es mir macht, mit Kommas zu werfen, springe ich einen Satz weiter runter und kicke den Punkt vor mir her wie eine scheppernde Dose. Langsam austrudelnd bleibt er in einer Satzkuhle liegen. Weil er nun oben fehlt, sammle ich ihn wieder ein und lege ihn reumütig zurück an die Abschussstelle. Dabei fällt mein Blick ganz zurück und ich sehe, dass das L und das I losgerannt sind, mir hinterher. Die zwei Ts und das E feuern sie an. Was genau sie rufen, verstehe ich nicht.

Schnell drehe ich mich um, haste weiter, überspringe mit Ach und Krach die Zwischenüberschrift. Direkt dahinter liegt ein blau leuchtender Link, fast wäre ich drauf gesprungen. Vorsichtig schleiche ich um das Textloch herum, das da liegt und tut wie ein Wort unter vielen. Dabei weiß ich genau, wenn ich ihn mit dem Großzeh berührte, so wie meine Personenwaage zu Haus, dann öffnete sich ein Loch und ich stürzte hinein in den anderen Text (einmal fiel ich sogar - ohne Ohrstöpsel - in ein Heavy-Metal-Konzert). Ich nehme den Punkt, der mir am nächsten liegt, werfe ihn mit aller Kraft auf den Link, in dem er polternd verschwindet. Als ich ihm nachlausche, höre ich das L und das I bereits hinter mir keuchen. Es wird höchste Zeit, also springe auch ich ab, dem Punkt hinterher mit geschlossenen Augen, so wie damals als Kind vom 5-Meter-Brett.

Ich falle mit einem leeren Töpfchen "Eingemachte Apfelsinen" in der Hand zwischen die Zeilen eines anderen Textes, schrecke ein weißes Kaninchen auf. Einen Absatz weiter liegt ein kleiner Kuchen herum und schreit wie ein trotziges Kind: "Iss mich auf, iss mich auf, ich bin schon längst ausgebacken." Der Link scheint kaputt zu sein, wackelt zwischen zwei Texten herum wie schlechter Fernsehempfang in alten antennenen Zeiten.

Der Gedanke an den Wackeltext macht mir Angst, denn ich befürchte, nicht mehr in meinen Ausgangstext zurück zu gelangen. Da höre ich, wie das L und I neben den kleinen Kuchen fallen, der vor Schreck aufhört zu heulen. Mit einem Satz springe ich auf den Scrollbar, der gerade vorbei scrollt, und lasse mich von ihm nach oben fahren. Das L und das I machen ein dummes Gesicht. Oben angelangt, ziehe ich mich mühsam zum Cursor-Menu rauf. Die URL durchquere ich geduckt und im Zickzack, klatsche mit der Hand auf den kleinen Pfeil in der Ecke ganz links. Wieder falle ich, das leere Töpfchen mit den unsichtbar eingemachten Apfelsinen noch immer in der Hand. Dieses Mal purzele ich weiter unten in den Text hinein und schaue die Absätze hinauf. Oben stehen die Großbuchstaben T T und E, die Hände in den Taschen, blicken sie sich ratlos um, ohne mich zu bemerken. Erleichtert kicke ich den nächstliegenden Punkt aus dem Text

Daneben schreibe ich

 ...  Folgt mir doch, wenn ihr euch traut!


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