erkennung

30.10.2015    Marion Boginski    "Klein(ich)keiten"


Lottoschein


Fünfzehn Millionen im Lotto-Jackpot ...
... haben in dieser Woche wieder Millionen Menschen in die Annahmestellen laufen lassen und sie dazu verleitet Millionen Euro zu verspielen in der Hoffnung, dass gerade sie, er, ich diese Millionen gewinnt.
Will sie, er, ich so viel Geld von einer Sekunde zur nächsten, plötzlich und erhofft? Nicht Schritt für Schritt, eine Million und noch eine und noch eine, sondern auf einmal?
Haben alle, die getippt haben, sich auch Gedanken gemacht, was wird, wenn sie, er, ich diese Millionen gewinnen sollte?

Erst mal haben und dann schauen. Schauen, wie weit fünfzehn Millionen reichen oder nicht reichen und wofür. Einmal neu einkleiden, zweimal neu einkleiden, ein Haus, ein größeres Haus, ein neues Auto, ein größeres Auto, das größte Auto. Einmal reisen um die Welt, im Airbus, Luxusliner, Helikopter. Ein zweites Mal um die Welt. Wird es beim dritten Mal langweilig? Oder schon eher? Kann man alles sehen? Oder ist auf der halben Strecke des Weltsehens das Sehen übergesehen?
Sie, er, ich könnte es kleiner anfangen und lauter schöne Sachen kaufen, eine Kette, einen Ring, eine Uhr, eine neue Frisur, ein faltenfreies Gesicht.
Will sie, er, ich ein faltenfreies Gesicht, an dem nicht zu sehen ist, dass sie, er, ich bisher gelebt hat und wie gelebt hat, ein lebfreies Gesicht wie ein Kind mit den Bewegungen des Alters?
Wenn sie, er, ich nun genug Ware besitzen, was kauft sie, er, ich dann, was will sie, er, ich dann besitzen?
Gesundheit oder Freude oder Liebe oder Zufriedenheit? Wo kauft sie, er, ich die und zu welchem Preis? Wie kauft sie, er, ich den Neid der Freunde und Verwandten weg, die sicher fragen werden, wo all die schönen Sachen herkommen, die sie, er, ich plötzlich besitzen. Werden sie zufrieden sein, mit dem, was sie, er, ich ihnen gebe, oder wollen sie mehr oder wollen sie nichts? Nichts geschenkt, von dem, was in Freude gegeben und in Unfreude entgegengenommen wird, weil sie, er, ich die Freude verbreitet und nicht sie.
Ist jeder, der tippt, ein Materialist, ethisch gesehen, ein Wohlstandsstrebensmaterialist? Von der Gesellschaft zum Kaufen erzogen, wortgewaltig, bildgewaltig, tongewaltig. Oder wird der zum Materialisten, der im Lotto gewinnt?
Ist das Streben nach Wohlstand ein Ur-Gendefekt, der sich wie ein Bazillus verbreitet, ausbreitet, ermächtigt? Zur Ur-Zeit ein Mammut, zur Heute-Zeit drei Autos, drei Fernseher, drei Computer ...

Machen fünfzehn Millionen Angst? Angst, alles kaufen zu können, auch, was sie, er, ich niemals brauchen werde, aber trotzdem kaufe und das Alte entsorge, obwohl es noch funktioniert, auf einem Müllberg entsorge, der gegen den Himmel wächst.


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